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So this is Enduro now?

Unsere Kolumnistin Laura Brethauer fährt für ihr Leben gern Enduro, betrachtet die Entwicklung ihres viel geliebten Sports allerdings kritisch. Wohin hat sich Enduro mittlerweile entwickelt? Was sollte verbessert werden? Lauras Gedanken zum Thema!

Enduro-Prolog in Ischgl ©Christoph Bayer

Lange Zeit habe ich mich dagegen gesträubt, in meiner Kolumne das derzeit in der Radbranche meistdiskutierte Themenfeld und daher auch beliebteste Kolumnenthema aufzugreifen, aber nun ist es so weit, ich muss nun auch mal ein paar Worte öffentlich dazu verkünden: Enduro! Was ist das, wieso ist das eigentlich so geil und warum geht es dahin, wo es doch eigentlich keiner haben will?

Ich konnte es gar nicht glauben, als die UCI mit dem Reglement zum Thema Enduro ihre Definition des Sports veröffentlichte. Normalerweise hat man von Vereinen wie UCI und BDR nämlich nicht immer nur Gutes und Fahrerfreundliches zu erwarten, aaaber:

„An enduro course comprises varied off-road terrain. The track should include a mixture of narrow and wide, slow and fast paths and tracks over a mixture of off-road surfaces. Each timed stage must be predominately descending but small pedaling or uphill sections are acceptable. Liaison stages can include either mechanical uplift (e.g. chairlift), pedal powered climbs or a mixture of both. The emphasis of the track must be on rider enjoyment, technical and physical ability.”

Ich war begeistert! Wer hätte gedacht, dass die UCI so ein Meisterwerk an Definitionspräzision hinbekommt!? Tretstücke innerhalb der Stages sind demnach also keineswegs ein Muss, sondern gerade mal akzeptabel, zumindest solange sie kurz sind. An erster Stelle steht, sehr frei übersetzt, der Spaß, direkt danach das technische Fahrkönnen und erst mit dritter Priorität soll den Fahrern auch physische Stärke abverlangt werden. Klingt alles in allem nach einer großartigen Zukunft für den Enduro-Sport, weil es meiner Meinung nach genau so sein muss!

Erstrebenswerter Zustand: Ein Grinsen im Gesicht, wenn das Rennen absolviert ist. ©Christoph Bayer

Klar, auch anstrengend, aber in erster Linie will ich nach einem Rennen ein dickes Grinsen im Gesicht haben, weil es einfach geil war und nicht weil ich es endlich hinter mir habe.

Auf dem Treppchen sollen diejenigen ganz oben stehen, die Trails aller Art am geilsten runterballern können. Und meine Argumente, warum es in den Stages nicht bergauf gehen soll: Weil man bergab um jede Hundertstelsekunde mit brillanter Fahrtechnik kämpfen muss, während bergauf ganze Sekunden von jahrzehntelang bergauf orientiert trainierten Fahrern gesammelt werden können und somit Bergabfahren nicht mehr entscheidend ist, obwohl Enduro doch eigentlich ein Abfahrtssport ist. Außerdem ist es todätzend!

Aber warum hat sich der Enduro-Sport mittlerweile dahin entwickelt, dass es nach Meinung vieler inzwischen dazugehört, Sprints und Intervalle bis weit über den Blutgeschmack hinaus zu trainieren und dass es Stages gibt, bei denen man sich am Ende nicht sicher ist, ob das Ziel nun eigentlich höher liegt als der Start? Es gab einen wunderbaren Artikel beim Teamrobot Blog über das World Series Rennen in Whistler und hieraus hab ich auch einige meiner Argumente geklaut, denn der Autor hat einfach Recht.

Man könnte meinen, dass der überwiegende Teil der Rennveranstalter, zumindest aber der Streckenaussucher, irgendwie sadistisch veranlagt ist, denn sie wollen die Fahrer leiden sehen und ihnen am besten mehr als alles abverlangen, um mit ihren Rennen als neuer Maßstab für „krasse Events“ in die Geschichte einzugehen. Gemeinsam mit den eigentlich nur noch in Foren aktiven Ex-Radrennfahrern, Altmarathonisti und anderen Szenepöblern wollen sie vor allem eins: uns keinen Spaß gönnen! Wer sich Fahrradprofi schimpft, soll gefälligst nicht meckern, wenn es mal bergauf geht! Räder geschenkt kriegen und dann öffentlich rumheulen gehört sich nicht! Also Zähne zusammen beißen und Training entsprechend anpassen!

Nur ist es eben so, dass durch den plötzlichen Boom des Enduro-Sports nicht nur alle Lust hatten, das neue Format auszuprobieren, sondern auch alle Firmen, die auf den Enduro-Zug aufgesprungen sind, Interesse hatten, ihre neuen Räder auf den Rennen zu sehen, so dass es als einigermaßen erfolgreicher Radfahrer aus egal welcher Radsportdisziplin so ziemlich einfach war bzw. ist, zum frischgebackenen Enduro-„Profi“ mit zumindest ordentlich Materialsupport zu werden. Und nun gibt es also eine Schar sogenannter Enduro-Profis, die ihre komplette Freizeit für einen Sport opfern, der endlosen Spaß versprach, die sich aber durch den „Profi“-Status nicht trauen, auch mal zu meckern, wenn alles komplett vom Spaß wegdriftet, weil Meckern kein professionelles Verhalten ist.

Und plötzlich fahren wir Rennen, auf denen wir uns über flache Tretstücke sogar schon freuen, denn immerhin geht es zumindest nicht bergauf!

Und ja, manchmal sind Tretstücke durch lokale Gegebenheiten einfach nicht vermeidbar, aber damit kann man sich arrangieren. Mir geht es hier um zusätzlich reingebastelte Bergauf-Schikanen beziehungsweise um Stages im Mittelgebirge, die künstlich in die Länge gezogen werden, indem der Start einen Kilometer vor dem eigentlichen Trail-Einstieg hingestellt wird. Und ja, manchmal geben sich die Veranstalter alle Mühe, kriegen am Ende die guten Trails aber nicht genehmigt und müssen improvisieren. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob man an zum Beispiel historisch bedingten Rennaustragungsorten (Riva!) Enduro-Rennen veranstalten muss, wenn es sich zum einen sowieso gar nicht dafür eignet und zum anderen wer auch immer sich zu sehr quer stellt. Genauso stellt sich die Frage, wie sinnvoll ein zwar zuschauerfreundlicher, aber völlig enduro-untypischer, renncharakterverzerrender und trotzdem gewerteter Prolog ist.

Prolog in der City von Ischgl ©Christoph Bayer, 2013

Enduro hat leider eine fiese Eigendynamik entwickelt, begünstigt durch die Übersetzung von „Enduro“ mit Ausdauer und Ausdauer mit Leiden, und dem „Professioneller“-Werden, wobei die meisten professioneller als härter und härter als Fahren mit Blutgeschmack verstehen. Und dann gibt es noch das „Enduro-High“: Während des Rennens hört man ständig Stimmen wie „Wollen die uns eigentlich verarschen“, „Das ist doch kein Enduro“, „Das ist doch scheiße“, während manche schon gar nichts mehr dazu sagen, nachdem die vorigen Rennen auch nicht besser waren. Kaum im Ziel ist man so glücklich, dass man es überstanden hat, dass man über die Strapazen der letzten Stunden gar nicht mehr reden will. Dann möchte man auch aus Rücksicht gegenüber dem hart arbeitenden Veranstalterteam nicht rumpöbeln, denn Meckern wird als irgendwie gesponserter Fahrer ja sowieso nicht gern gesehen.

Und plötzlich fahren wir alle Crosscountry-Etappensprint, physisch fordernd und zuschauerfreundlich, weil wir verpasst haben, uns deutlich genug zu Wort zu melden, wenn es uns mal nicht gepasst hat! Lasst uns das doch nochmal von vorne anfangen! Wie wär’s? Wir nennen es… Downduro? Love, peace und Bergabfahrradsport.

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