Exklusives Josh Bryceland Interview
Rennfahrer stehen unter permanentem Druck! Vorbereitung, Fitness, Bike, Linienwahl und schließlich das Gepiepse am Start. Für den World Cup Gewinner 2014, Josh „Ratboy“ Bryceland, liegt der Schlüssel zum Erfolg, das ganze Geschehen möglichst entspannt angehen zu lassen. Nach seinem krassen Unfall bei der Downhill Weltmeisterschaft in Hafjell wurde es still um ihn, weswegen wir ihn in der Reha-Klinik in Manchester besucht und interviewt haben.
2014 fing nicht gerade glamourös für Josh Bryceland an – Platz 43 in Pietermaritzburg! Nachdem sich der südafrikanische Staub gelegt hatte, driftete er durch den Matsch in Cairns und sicherte sich direkt Platz 2. Von da an ging’s los! Nach einem enttäuschenden 13. Platz in Fort William sollte es dann endlich so weit sein: In Leogang war das Santa Cruz Syndicate ziemlich gut unterwegs und hier sollte Joshs Siegeszug beginnen.
Er lieferte sich mit Gwin und Brosnan einen Kampf um den World Cup Thron, und das große „S“ wurde bald überschattet. In 2014 feierte Josh seinen 18. Geburtstag und der über Jahre von Steve Peat gehegte Nachwuchs schoss mit einem Mal ganz nach oben in den World Cup Himmel. Ein Mal leider zu weit!
Seit seinem Unfall in Hafjell wurde eine Menge spekuliert, aber der Einzige, der sich noch nicht dazu geäußert hat, ist Josh Bryceland himself. Seine Gegner in Norwegen waren schnell, aber Ratboy war schneller! Nach jedem einzelnen Split zeigte die Uhr eine grüne Zwischenzeit, Josh lag extrem weit vorne. Das Einzige, was ihm zum Sieg noch fehlte, war die letzte Brücke kurz vor dem Ziel.
Was dann geschah, wissen wir alle. Josh kam mit viel zu viel Speed auf den Sprung zu, flog zu weit und kam erst hinter der Landung im Flat auf den Boden. Bei dem Aufprall zerschmetterte sich Josh seinen linken Fuß und konnte seinen Vorsprung nicht mehr bis ins Ziel halten. Aber wie ging es nach dem Unfall weiter? Darren Roberts und sein Team bei Harris & Ross, DER Sportklinik in Manchester, gaben wochenlang ihr Bestes, um Josh schnellstmöglich wieder fit zu kriegen. Wir schnappten ihn uns auf der Liege und quetschten ihn ein bisschen aus.
Josh Bryceland über seine Saison und den Unfall
Dirt: Josh, wie läuft’s denn so?
Josh: Nicht schlecht, nicht schlecht. Nur ein paar Schmerzen im Moment!
Dirt: Oh, echt? Wir dachten, die würden dich hier wieder reparieren.
Josh: Ja, dachte ich auch!
Dirt: Lass uns einen Blick zurück auf das letzte Rennen in Meribel werfen. In „This is Peaty“ hast du gesagt, dass du ziemlich im Eimer warst. War der ganze Rummel um Deine Person sehr belastend?
Josh: Ja, total. In der Woche in Meribel stand ich so dermaßen unter Strom, dass ich kaum schlafen und fast nichts essen konnte, mein Körper lief auf Sparflamme. Nach dem Rennen und meinem Gesamtsieg hab ich dann ein paar Tage lang meinen Titel gefeiert! Und dann, als ich plötzlich mal Ruhe hatte, merkte ich erst, wie erschöpft ich eigentlich war und ich dachte mir, oh scheiße, die Weltmeisterschaft steht nächste Woche an!
Dirt: Wie fühlte es sich an, als du den Titel in Meribel geholt hast?
Josh: Das war total krass! Es war einfach nur surreal. Hätte mir einer am Anfang der Saison gesagt, dass ich den World Cup 2014 gewinne, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Es entwickelte sich erst im Laufe der Saison und ich bin da so rein geschlittert…
Dirt: Hat Dir Steve Peat eigentlich auch mal Ratschläge oder Tipps zu Unfällen gegeben?
Josh: Er hat sich am nächsten Tag lustig über mich gemacht! Nee, im Ernst, ich hatte vorher schon viele Verletzungen, also ließ ich es einfach krachen. (lacht)
Dirt: Was hast Du denn zwischen Meribel und Hafjell gemacht?
Josh: Nichts. Ich glaube, ich bin noch nicht einmal Fahrrad gefahren. Ich hab mit Mike Reading ein paar Tage lang gechillt, das war’s. Und dann bin ich nach Norwegen gefahren.
Dirt: Musstest Du Dich in Norwegen sehr zusammenreißen oder hattest Du genügend Motivation nach dem World Cup Gesamtsieg auch noch den WM-Titel in Hafjell zu holen?
Josh: Ich wusste schon, dass ich in der Lage war, bei der WM anzugreifen, aber da ich so viel Kraft in Meribel gelassen hatte, fehlte mir in Hafjell eindeutig die Motivation. Das war echt merkwürdig, sie kam und ging im Laufe der Woche. Sobald es gut auf der Strecke lief, war ich top motiviert, aber sobald ich mal was verhauen hatte, war’s irgendwie … ach, es war einfach eine komische Woche. In dieser Woche war ich selbst mein größter Rivale.
Dirt: Du musstest also nicht mit den anderen Fahrern kämpfen, sondern nur mit dir selbst?
Josh: Ja, voll. Am Renntag war einer meiner Kumpels an der Strecke und schaute mir zu, Kevin Radical, ein verrückter Typ. Er ist echt korrekt, allerdings auch fast ein bisschen autistisch, er beißt sich immer an den kleinsten Dingen fest. Ich setzte ein, na sagen wir mal, unerschrockenes Gesicht auf, und er meinte am Rennmorgen zu mir: „Warum machst Du nicht einfach krank?“
Dirt: Die Woche war also bis zum Rennen eine bunte Mischung aus Hochs und Tiefs, aber als es dann so weit war, bist Du ziemlich schnell unterwegs gewesen… bis die Brücke kam. Woher hattest Du plötzlich die Kraft und den Willen für diesen unglaublichen Run?
Josh: Naja, vor dem Start beim Aufwärmen dachte ich mir: „Du kannst all die Muppets hier schlagen. Mach’s einfach!“ (lacht)
Dirt: Großartiges Zitat!
Josh: Die ganze Woche über ging es bei mir rauf und runter und diesen letzten Sprung hatte ich bis dato komplett ausgeblendet und ihn auch nie mit hoher Geschwindigkeit genommen. Im Finallauf kam ich gut und schnell aus der Waldsektion raus, trat nochmal richtig rein und bremste nicht, um noch einen Whip hinzulegen… Tja, da war wohl ich am Ende der Idiot.
Dirt: War das so ein Moment, in dem Du ganz genau weißt, was als nächstes passiert?
Josh: Ja definitiv, ich hielt den Lenker einfach so fest, wie ich konnte. Ich hatte schon schlimmere flat landings erlebt, zum Beispiel auf meinem Motocross-Bike. Ich sagte mir in diesem Moment, einfach fest halten! Aber der ganze Druck war zu viel für meinen Fuß!
Dirt: Du bist nicht gerade gelandet?
Josh: Dachte ich erst. Ich hörte nur einen lauten Knall, habe aber gar nicht mitgekriegt, dass ich meinen Fuß gebrochen hatte. Also stellte ich den Fuß wieder aufs Pedal, um den nächsten Sprung mitzunehmen, aber als ich meinen Fuß belastete, merkte ich sofort, dass da was mit meinem Zeh nicht stimmte.
Dirt: Und da hat’s dann auch weh getan?
Josh: Ich dachte, dass ich entweder ein Stück Pedal an meiner Schuhsohle hätte oder mein Fuß ganz schön zerquetscht war.
Dirt: Am Ende war’s ja der Fuß. Was genau hast Du dann gemacht?
Josh: Es ist genau da passiert, wo man sich viel brechen und auskugeln kann. Die Ärzte haben ein paar Verbindungen zusammen geschraubt, weil die Bänder das Ganze wohl nicht gehalten hätten. Ich glaube, sie haben außerdem einige Bänder wieder mit einander verbunden und die Brüche mit Metallplatten geflickt. Da passiert jedenfalls noch eine Menge.
Die Lisfrancs-Fraktur
Den medizinischen Kommentar liefert uns Darren Roberts von Harris & Ross. Er hat schon Sportler wie die Athertons, Danny MacAskill, diverse Rugbyspieler oder Motocrosser am Fuß behandelt.
Dirt: Was genau hat denn Josh?
Darren: Es handelt sich um eine Lisfranc-Fraktur, das ist ein Bruch im Mittelfuß. Dort sind viele kleine Knochen angesiedelt und Josh hat sich einen Teil davon gebrochen und verrenkt. Es ist eine ziemlich ernste Angelegenheit; wenn er Rugbyspieler wäre, wäre das eine Verletzung, die seine sportliche Karriere beenden könnte. Aber Josh hatte Glück: Er wurde schnell von einem guten Chirurgen operiert. Das Problem bei dieser Art von Verletzung sind nicht die gebrochenen Knochen, sondern die Bänder, die alles im Mittelfuß zusammen halten. Die Knochen werden heilen, allerdings müssen wir absolut sicher sein, dass die Bänder auch komplett intakt sind. Deswegen nimmt die Genesung relativ viel Zeit in Anspruch.
Dirt: Und was treibst Du momentan?
Josh: Ich war oft mit den Physiotherapeuten im Fitness-Studio, allerdings nicht, um irgendwelche Gewichte zu stemmen, sondern um mein linkes Bein wieder auf Normal-Kurs zu bringen. Ich kriege außerdem noch ein bisschen Physio am Fuß, bewege meinen Zeh immer mal wieder UND ich versuche, meinen Jaguar endlich fertig zu kriegen…
Dirt: Hört sich ziemlich gut an. Wie ist der Stand beim Jaguar?
Josh: Der steht momentan nur in der Garage. Normalerweise wäre die Off-Season perfekt, um genau solche Sachen abseits vom Downhill zu machen, aber das ist wohl der Preis, den ich zahlen muss, weil ich so ein Vollidiot war.
Dirt: Wann kommt denn das ganze Metall raus?
Josh: Am 12. Dezember habe ich meine Operation. Von da an hoffe ich, dass ich langsam laufen und den Fuß wieder belasten kann. Bis dahin humpel ich auf meinen Krücken durch die Gegend.
Dirt: Was meinst Du denn, wie lange es dauert, bis Du wieder auf einem Bike sitzen kannst?
Josh: Ähm, keine Ahnung.
Dirt: Bist Du oft hier in der Klinik?
Josh: Ja, ich bin drei Mal die Woche hier. Und nach meiner OP werde ich wahrscheinlich einmal die Woche reinkommen, damit ich meinen Jaguar auch mal ein bisschen bewege. Der steht ja momentan nur rum.
Dirt: Die Weltmeisterschaft war am letzten Sprung für Dich zu Ende. Ist der WM-Titel jetzt Dein neues Ziel, nachdem Du den World Cup Titel schon in der Tasche hast?
Josh: Nein, nicht mehr als in anderen Jahren auch. Ich versuch es einfach nochmal und hoffe, dass beim nächsten Mal am Ende keine Brücke steht. Eigentlich versuche ich immer, mein Bestes zu geben. Dieses Jahr bin ich auch nicht mit dem Ziel in die Saison gestartet, den World Cup zu gewinnen. Ich habe mich einfach von Rennen zu Rennen gesteigert und immer alles gegeben.
Dirt: Hört sich so an, als würdest Du das Ganze recht entspannt betrachten.
Josh: Hattest Du was anderes erwartet?
Dirt: Überhaupt nicht. In Meribel warst Du eher taktisch unterwegs und hast nicht auf Teufel komm raus alles gegeben. Glaubst Du, Du hast in dieser Saison viel gelernt?
Josh: Ja, total viel und das passierte einfach so nebenbei. Ich habe gelernt, mit verschiedenen Situationen umzugehen und mental bin ich auch weiter gekommen.
Dirt: Was ist mit der nächsten Saison? April ist gar nicht mehr so lange hin. Meinst Du, Du wirst Dich sehr anstrengen müssen, um genauso weit vorne mitzufahren wie dieses Jahr oder bist Du zuversichtlich, dass es schon irgendwie wird?
Josh: Ich denke, das wird schon. Die erste Runde wird wahrscheinlich ein kleiner Weckruf werden. Im Laufe dieser Saison verpasste ich ja am Anfang auch so einige Punkte auf Grund von Pannen oder Stürzen. Von daher glaube ich nicht, dass es ein großes Problem sein wird. Erste Runde und dann Vollgas!
Nach einer unglaublichen Saison fehlten Ratboy nur wenige Meter zum Doppeltitel, das Ende seiner Saison war abrupt und hart. Dieses Jahr hat es mit der Weltmeisterschft nicht geklappt, aber da kommen noch weitere Jahre, in denen er ums Regenbogentrikot kämpfen kann. Wer noch einmal miterleben will, was alles am Ende der Saison passierte, muss sich nur die letzte Folge von „This is Peaty“ ansehen.