4 – Cliffhanger Trail Canetsfontein Farm in Wellington
Der Cliffhanger Trail auf der Canetsfontein Farm in Wellington zählt zu den eindrucksvollsten und zugleich anspruchsvollsten MTB-Strecken Südafrikas. Kaum ein anderer Trail hat in den vergangenen Jahren so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie dieser extrem exponierte Zickzack-Pfad, der sich wie eine Miniaturversion einer alpinen Passstraße über die Flanke des Geelbekskop schraubt. Insgesamt 61 eng gezogene Switchbacks formen eine Linie, die sowohl technisch als auch mental höchste Konzentration verlangt und jedes fahrerische Detail kompromisslos abprüft.
Bereits der Aufstieg ist eine Herausforderung. Die Strecke führt über 29 Spitzkehren auf enger Rampe nach oben, immer entlang eines steilen Berghangs, der kaum Raum für Fehler lässt. Die Sicht öffnet sich mit jedem Meter weiter und legt ein Panorama über Wellington und die umliegenden Weingüter frei, gleichzeitig steigt die Exponiertheit des Trails. Jede Kurve zwingt zu präziser Linienwahl, kontrolliertem Bremsen und sauberem Körpereinsatz. Es ist ein kontinuierlicher Kletterrhythmus, der Kraft, Technik und mentale Ruhe erfordert.
Oben angekommen wartet die wohl ikonischste Passage: die berüchtigte Schlucht mit weiteren 16 Switchbacks, die in der Szene regelmäßig für aufsehenerregende Fotos sorgen. Die Abfahrt fällt extrem steil ab, der Trail ist schmal, und die Kehren sind so eng, dass selbst erfahrene Rider einen Moment der Anpassung benötigen. Die Linie liegt direkt an einer Felskante, die Tiefe unterhalb der Kurven wirkt fast surreal und verleiht der Fahrt eine zusätzliche psychologische Komponente. Wer hier zu verkrampft fährt, verliert schnell die Kontrolle. Entscheidend ist ein ruhiger Blick, ein weicher Körperschwerpunkt und das Vertrauen, weite Außenlinien auf den Berms zu halten.
Die Entstehung des Trails ist eine Geschichte für sich. Der renommierte Trailbuilder Pieter van Wyk wurde vom Farmbesitzer gefragt, ob es möglich wäre, überhaupt eine Strecke durch die schmale, steile Schlucht zu bauen.
Seine vorsichtige Antwort : „Vielleicht“
Das war der Startschuss für ein monatelanges Projekt, das nur mit enormem Kraftaufwand möglich war. Da Fahrzeuge nicht in die Schlucht gelangen konnten, musste sämtliches Material, vom Zement über Wasser bis hin zu Stützpfosten, mühsam per Hand über den Berg transportiert werden. Eine Crew von sechs bis zehn Arbeitern arbeitete tagein, tagaus daran, Steine zu verankern, Berms zu formen und die Linie am Hang zu stabilisieren. Drei Monate später stand ein Trail, der heute als eines der beeindruckendsten Stücke Trailbaukunst im Western Cape gilt.
Nach dem engen, technisch fordernden Schluchtabschnitt führt der Cliffhanger in eine etwas offenere Passage mit weiteren 16 Spitzkehren, bevor er in das größere Trailnetz der Farm übergeht, zu dem unter anderem Linien wie Aap de Huez, Full Monty, DNF und Angels’ Tears gehören. Für viele Fahrer:innen liegt der wahre Flow sogar erst hinter der Schlucht, denn sobald die exponierten Kehren überwunden sind, öffnet sich der Trail und beginnt zu fließen. Ein befreiendes Gefühl nach der intensiven Konzentration zuvor.
Der komplette Cliffhanger-Aufstieg und die Abfahrt ergeben zusammen etwa sieben Kilometer Strecke. Wer die Runde direkt ab der Farm fährt, bewältigt dabei fast 1.000 Höhenmeter. Ein vertikaler Kraftakt, der nur mit funktionierendem Antrieb und gutem Rhythmus zu meistern ist. Aufgrund der besonderen Lage und der sensiblen Umgebung ist die Nutzung streng reglementiert: Pro Tag darf nur eine einzige Gruppe mit maximal zwanzig Rider:innen den Trail befahren, eine vorherige Buchung ist Pflicht.
Der Cliffhanger ist damit weit mehr als ein Trail. Er ist ein beeindruckendes Stück Handarbeit, ein Monument für technische und mentale Stärke und ein einzigartiges Fahrerlebnis hoch über Wellington. Wer die Herausforderung annimmt, begreift schnell, warum dieser Abschnitt zu den meistdiskutierten und meistfotografierten MTB-Locations des Landes gehört und warum er unvergessen bleibt.
Wellington on Trailforks.com