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Bike City Innsbruck verbietet Downhillern die Öffis

In Innsbruck wird den Downhillern die Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel verboten

Die Nachricht, dass allen Downhillern in Innsbruck der Zugriff auf die öffentlichen Verkehrsmittel verwehrt wird ist eingeschlagen wie eine Bombe. Solche Schikanen gegen Mountainbiker in Tirols Landeshauptstadt werden auf den Gipfel getrieben. Eine ganze Gruppe von Sportlern wird vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen, selbst Kindern wird die Mitfahrt untersagt.

Innsbruck – Die „Bikecity Innsbruck“ hat ein Problem mit Mountainbikern. Nachdem zuletzt die Nordketten-Bahnen wegen des Fehlverhaltens eines einzigen Fahrgasts für den Monat Mai ein generelles Transportverbot für „Downhiller“ erlassen haben, ziehen nun die Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB) nach.
SPÖ Stadträtin stimmt der Kritik der Nordketten-Bahnen zu, die dem Tourismusverband ankreiden, mit Veranstaltungen wie Crankworx und der ausgerufenen Bikecity ein falsches Bild zu zeichnen. Daher steht Mayr einer Fortführung der Mountainbike-Veranstaltung ab 2020 nun kritisch gegenüber: „Wir sollten dringend die Priorität auf Infrastruktur für den Sport legen, auf ein Angebot, das den Leuten vor und nach dem Saisonhighlight zur Verfügung steht.“ Crankworx zeichne ein superlativisches Bild von Innsbruck als Mountainbike-Stadt, dem die Realität weit hinterherhinke.“

Quelle: Der Standard: Steffen Arora

© Sebastian Schieck

Im Mai wurden bereits Bikern öffentliche Verkehrsmittel verwehrt

Es lag an einem einzigen gewalttätigem Fahrgast, der eine Kettenreaktion auslöste. Er attackierte zweimal Mitarbeiter der Nordkettenbahn. Diese schlug zurück und verwehrte sämtlichen Downhillern die Beförderung. Sogar das Crankworx Festival wurde von der Politik in Frage gestellt.

Hintergrund ist das vermehrte Verkehrsaufkommen wegen des Arzler Alm Trails

Hintergrund des Konflikts ist das enorme Aufkommen an Mountainbikern, die zu Beginn der Saison den Arzler-Alm-Trail sowie seine Verlängerung, den Hungerburgtrail, benutzen wollen. Es ist zu dieser Jahreszeit die einzig legale Möglichkeit für Trailbiker im Großraum Innsbruck. Dort erfreut sich der Sport aber seit Jahren steigender Beliebtheit. Mehr als 80.000 Mountainbiker werden pro Jahr am Arzler-Alm-Trail gezählt.

Whipoff Podium

Verständnis für Beschränkungen

Nicht wenige davon nutzen die Hungerburgbahn, um den Uphill-Part zu verkürzen. Doch die ist nicht für ein solches Aufkommen an Bikern ausgelegt. Zuletzt verständigte man sich in Abstimmung mit der Szene darauf, dass nicht mehr als fünf Räder pro Bahn mitgenommen werden. Diese Maßnahme wurde über diverse Kanäle der Mountainbiker kommuniziert, und man warb um Verständnis dafür.

Doch diese Bitte kam nicht bei allen der tausenden aktiven Radler an. Ein Mann hat sich in den vergangenen Wochen zweimal tätlich gegen die Aufforderung, nicht mehr in die volle Bahn einzusteigen, zur Wehr gesetzt. Dabei verletzte er einen Mitarbeiter der Nordkettenbahnen durch eine „Watschen“ derart, dass dieser sogar ärztliche Behandlung brauchte. Für den Bahnbetreiber Grund genug, Konsequenzen für alle Biker zu ziehen.

Kinder sollen auf Schutzausrüstung verzichten

Das Verbot treibt indes absurde bis gefährliche Blüten, wie man beim Downhill-Verein Tirol weiß, der wöchentliche Kindertrainings in Innsbruck anbietet. So wurde den jungen Sportlern, die mit Öffis zum Biken kommen wollten, bereits erklärt, dass sie auf ihre Schutzausrüstung verzichten sollen, um transportiert zu werden. Denn wer einen Vollvisierhelm trägt, gilt als Downhiller und darf nicht einsteigen.

Foto: Clint Trahan / Crankworx

Wer gilt als Downhiller?

So gab Geschäftsführer Thomas Schroll am Montag bekannt, dass man im Monat Mai keine Downhiller mehr transportieren werde. Wie man Downhiller definiere, blieb auf Nachfrage allerdings unklar. Das könnte problematisch für die Umsetzung des Verbots werden, da gerade der Arzler-Alm-Trail vor allem von Enduro- und All-Mountain-Fahrern genutzt wird. Downhiller sind die Minderheit.Zwar ist der Fahrradtransport in den Linien der IVB generell erlaubt – zwei Stück pro Bus –, doch wer eine Doppelbrückengabel am Rad verbaut hat und einen Vollvisierhelm am Kopf trägt, muss draußen bleiben. Wie genau die IVB einen „Downhiller“ sonst definieren, war vorerst nicht zu erfahren. Auch wie man das Transportverbot begründet, blieb vorerst unklar.

Das Verbot zeigt aber auch ein altes Problem auf. Das Feindbild des bösen Downhillers geistert nach wie vor in den Köpfen vieler herum. Dass es letztlich ein und derselbe Täter war, der einen Übergriff begangen hat, bestätigen auch die Nordketten-Bahnen. Trotzdem will man alle Biker dafür büßen lassen. Das ist vor allem für jene frustrierend, die sich nun über Jahre für ein gedeihliches Miteinander eingesetzt haben.

Angebot wird Nachfrage nicht gerecht

Und der Fall zeigt, dass sich am Problem des mangelnden Angebots an legalen Strecken seit Jahren kaum etwas geändert hat. Der Sport begeistert immer mehr Menschen, die allesamt vor dem Problem stehen, durch die geltende Gesetzeslage in die Illegalität gedrängt zu werden. Hinzu kommt, dass mit dem Arzler-Alm-Trail ein legales Angebot geschaffen wurde, das zwar sehr deutlich beweist, wie eine Lenkung der Biker funktionieren kann. Allerdings kanalisiert der einzige legale Trail, der außerhalb der Bikepark-Saison in Innsbruck befahren werden darf, derart viele Biker, dass nun auch das wieder zum Problem wird. Anrainer fühlen sich gestört, und in der Hungerburgbahn ist man mit dem Aufkommen an Bikern überfordert. Das erzeugt Frust auf allen Seiten.

Nicht alle pauschal verurteilen

Verena Böhm-Hennes von MTB Innsbruck, einem Zusammenschluss der lokalen Mountainbikeszene, die sich auch bei der Instandhaltung des Arzler-Alm-Trails einbringt, bedauert die jüngste Eskalation: „Solche Handlungen sind zu verurteilen, egal ob sie von einem Biker kommen oder einer anderen Person.“ Man verstehe die Reaktion der Bahnbetreiber daher ein Stück weit. Zugleich betont Böhm-Hennes, man solle nicht alle Biker wegen des Fehlers eines Mannes pauschal verurteilen.

Auch Sabine Oswald vom Downhillverein Tirol, der sich vor allem der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verschrieben hat, bedauert den Vorfall: „Wir lernen unseren Kids von Beginn an, dass respektvoller Umgang wichtig ist.“ Hunderte Anmeldungen zu den Trainings und Camps des Vereins zeigen, welchen Stellenwert der Sport im Nachwuchsbereich bereits hat. Oswald betont, dass es sich bei der Tat offensichtlich um einen Einzelfall handelt, und hofft weiter auf Verständnis für die große Mehrheit der Biker, die sich eine friedliche Koexistenz wünsche.

Kritik an Crankworx

Seitens der Innsbrucker Stadtpolitik bedauert SPÖ-Stadträtin Elisabeth Mayr, zuständig für Sport, den Vorfall und seine Folgen für die Bike-Community. Und sie stimmt der Kritik der Nordketten-Bahnen zu, die dem Tourismusverband ankreiden, mit Veranstaltungen wie Crankworx und der ausgerufenen Bikecity ein falsches Bild zu zeichnen. Daher steht Mayr einer Fortführung der Mountainbike-Veranstaltung ab 2020 nun kritisch gegenüber: „Wir sollten dringend die Priorität auf Infrastruktur für den Sport legen, auf ein Angebot, das den Leuten vor und nach dem Saisonhighlight zur Verfügung steht.“ Crankworx zeichne ein superlativisches Bild von Innsbruck als Mountainbike-Stadt, dem die Realität weit hinterherhinke, so Mayr.

Offen bleibt dabei allerdings, wann und wo diese Infrastruktur entstehen soll. Das kann auch die Stadträtin noch nicht sagen. Es handle sich um „Bohren sehr harter Bretter“, um Trails im Raum Innsbruck zu realisieren. Die Besitzverhältnisse in den Wäldern bedingen, dass zahlreiche Grundbesitzer zustimmen müssen, um eine legale Strecke zu realisieren. In der Vergangenheit sind Trail-Pläne genau daran gescheitert.

Bus als Alternative

Somit könnte die Unbeherrschtheit eines einzelnen Bahnbenutzers noch viel gravierendere Folgen für die Innsbrucker Bikeszene haben als nur das einmonatige Transportverbot für Downhiller. Denn letztlich ist auch der Bikepark Innsbruck im Zuge von und wegen Crankworx entstanden. Nur weil der Tourismus in der Veranstaltung Potenzial erkannte, wurde zumindest ein erstes Trailangebot realisiert.

Verliert man nun aber die Veranstaltung, verliert man auch den Tourismus als starke und treibende Kraft hinter dem Mountainbiken. Wie wenig Gehör man der Bikeszene allein seitens der Politik schenkt, hat sich in den Jahrzehnten davor gezeigt.

Wer nicht selbst den Berg hochpedalieren will, dem bleibt als Alternative die Buslinie J auf die Hungerburg. Jeder Bus bietet laut Betriebsleiter Platz für sechs Fahrräder. Bislang sei es dort zu keinerlei Problemen mit den Bikern gekommen, bestätigen die IVB auf Nachfrage.

Das Crankworx Festival lebt Superlative einer Bike City vor, die Innsbruck nicht einhalten kann.

Kategorisierung als Downhiller undurchsichtig

Überhaupt ist die Kategorisierung als „Downhiller“ in der Praxis Unsinn und zeigt, wes Geistes Kind dieses Verbot ist. Offenbar haben die dafür Verantwortlichen wenig Ahnung vom Mountainbike-Sport und wollen vielmehr Stimmung gegen eine als Feindbild konstruierte Gruppe machen. Denn ginge es nach den zum Sport genutzten Rädern, so müssten auch Enduros und All Mountains, heute Standard auf Trails und in Bikeparks, von dem Verbot betroffen sein.

Mit Autos statt Öffis zum Sport

Das Verbot hat zudem zur Folge, dass der Bikepark Innsbruck in Mutters, der direkt an der Straßenbahn liegt, nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Im grün regierten Innsbruck werden Eltern genötigt, die lieben Kleinen mit dem Auto zum Sport zu bringen. Betroffene Kinder hatten bereits im Herbst, nachdem sie mehrfach an ihren Haltestellen zurückgelassen wurden, versucht, die Verantwortlichen der Stadt sowie der IVB auf die Problematik hinzuweisen. Ihre Briefe und Mails wurden ignoriert, sie erhielten keine Antwort.

Aber auch als Anwohner bedeutet das Transportverbot Ungemach. Wie dem STANDARD berichtet wurde, genügt schon das Mitführen eines Downhillrades, um selbst bei leeren Bussen oder Bahnen an der Haltestelle abgewiesen zu werden. Wer das Pech hat, in einer der umliegenden Ortschaften zu leben, muss nach Hause schieben.

Verbot für Juristen zweifelhaft

Einer selbsternannten „Bikecity“ ist eine solche Verkehrspolitik unwürdig. Zudem steht ein solches Beförderungsverbot für Downhiller auf juristisch tönernen Füßen. Denn wie der Anwalt Johannes Pepelnik erklärt, haben öffentliche Verkehrsmittel eine Beförderungspflicht: „Sie müssen jeden mitnehmen, der das will.“ Einschränkungen müssen sachlich gerechtfertigt sein, etwa dass man stark verschmutzte Fahrräder generell nicht befördert.

Zudem müssten derlei Transportverbote öffentlich kundgemacht werden und nicht als interner Dienstauftrag ergehen. Denn wie sollten sich betroffene Fahrgäste sonst darauf einstellen oder dagegen vorgehen können? Dass man, wie in Innsbruck passiert, Kinder und Erwachsene einfach an der Haltestelle abweist, ist nicht rechtens.

Sie werfen den Bahnbetreibern, denen die Mountainbiker seit jeher ein Dorn im Auge waren, vor, die Situation einseitig darzustellen. Dass man auf der Nordkette die Wagen und Gondeln lieber mit voll zahlenden Touristen als mit billigen, Saisonkarten besitzenden Einheimischen füllt, ist ein offenes Geheimnis. Doch die Bahnen wurden als Private-Public-Partnership, also auch mit sehr viel Steuergeld, errichtet, weshalb ein solches Transportverbot grundsätzlich zu hinterfragen ist.

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